Samstag, 30. Juni 2012

"Gleiche Rechte ja, aber bitte nicht für Schwule und Lesben"?

Am vorgestrigen Donnerstag, den 28.06.2012, hatten die Parlamentarier*innen im Bundestag auf Initiative der Grünen und der SPD die Möglichkeit, darüber abzustimmen, ob die Ehe endlich für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden oder man weiter an dem diskriminierenden konservativen Rollen-, Familien- und Ehemodell der 50-er und 60-er Jahre festhalten soll.

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Mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP wurde sowohl der Gesetzesentwurf zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, als auch der Entschließungsantrag zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe in sämtlichen Rechtsbereichen abgelehnt. Die Bundesregierung weist damit weiter sowohl präsentierte Gesetzesvorschläge, als auch den Antrag darauf von sich, selber ein derartiges Gesetz auszuarbeiten und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, tradierte Partnerschaftsmodelle über die Gleichbehandlung aller Paare zu stellen.

Durch die Schaffung der Lebenspartnerschaft haben gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland bereits die gleichen Pflichten wie Eheleute, aber nicht die gleichen Rechte erhalten. So ist es beispielsweise eingetragenen Lebenspartner*innen verwehrt, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, oder das sogenannte Ehegattensplitting zu nutzen.

»Für Liberale sind alle Lebensgemeinschaften wertvoll, in denen Menschen Verantwortung füreinander übernehmen«, heißt es vollmundig im Parteiprogramm der FDP. Schade nur, dass dieser Umstand den Liberalen bei der gestrigen Abstimmung scheinbar entfallen sein muss, als sie sich mit 85 Stimmen gegen beide Anträge stellten. Obwohl Verantwortungsgemeinschaften »nicht diskriminiert werden« dürfen und »gleiche Rechte« »gleiche Pflichten« verdienen, vergaßen die Freidemokraten in einem Akt geistiger Umnachtung einen weiteren zentralen Satz ihres Parteiprogramms: »Lebenspartnerschaften müssen mit der Ehe gleichgestellt werden, insbesondere im Steuerrecht, bei Adoptionen und im Beamtenrecht.« Peinlich - war doch genau das die Intention der eingebrachten Vorschläge, die sie ablehnten.
Auch der Koalitionspartner, die Union aus CDU und CSU, hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt »gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht« abzubauen, votierte aber dennoch mit 224 Stimmen gegen die eingebrachten Anträge. Sie verwehrt sich, dagegen »das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe vollständig gleichzustellen« und beharrt darauf, dass lediglich verschiedengeschlechtliche Paare den Bund der Ehe mit all seinen Vorteilen eingehen dürfen. Ohne das homophobe Beharren auf Reproduktion als Ursächlichkeit der Ehe sei die Öffnung mit der CDU/CSU »nicht zu machen«.

Dabei sieht die Mehrheit der Gesellschaft die willkürliche Trennung zwischen Lebenspartnerschaft und Ehe kritisch. In einer Studie der Friedrich Ebert Stiftung stimmten 60,3% der Befragten »voll und ganz« und »eher« dem Satz »Es ist eine gute Sache, Ehen zwischen zwei Frauen bzw. zwei Männern zu erlauben« zu und zeigen damit nicht zuletzt eine geänderte Akzeptanz homosexueller Partnerschaften und deren rechlicher Gleichbehandlung in den letzten Jahren auf.

Mit 59 Ja-Stimmen, 5 Enthaltungen und 12 nicht abgegebenen Stimmen machte auch DIE LINKE keine wirklich gute Figur. Im Vorfeld wurde bekanntgegeben, dass sich einige Parlamentarier und Parlamentarierinnen der Abstimmung enthalten würden, da man generell gegen eine Institutionalisierung mit einhergehender Priviligierung von Partnerschaften und gegen das Ehegattensplitting im Besonderen sei. Doch obgleich man sich über Sinn und Zweck beispielsweise des Ehegattensplittings unterhalten und streiten kann, muss diese Begründung wie Hohn in den Ohren der Betroffenen klingen. »Statt einer wichtigen Gesetzesänderung zuzustimmen, die Benachteiligung im Hier und Jetzt abschafft und sofort ein Stück weit Gleichbehandlung herstellt, enthalten sich die fünf Genossen. Ich kritisiere das aufs Schärfste, denn pragmatische und konkrete Verbesserungen sind übergeordneten Zielen, wie der Abschaffung aller Eheprivilegien, immer vorzuziehen. Man muss doch mal an die Außenwirkung von "Schwänzen" und Enthaltungen denken!«, gibt Michaela Duwelt, Aktivistin in der Magdeburger Hochschulgruppe des SDS.Die Linke, zu bedenken.

Es wäre Zeit gewesen, die entsprechenden Gesetze in die Hand zu nehmen und zu entstauben, doch die regierenden Parteien sind ob des Koalitonsfriedens dazu nicht im Stande. Die FDP hat ihre Wähler*innen mit dieser Abstimmung ein weiteres Mal hintergangen, indem sie sich der Meinung der Union gebeugt hat.

Florian Link vom Magdeburger Stadtverband der Linksjugend ['solid] erklärt dazu: »Für uns bleibt festzuhalten, dass homosexuelle Paare weder Segen noch Fluch sind, sondern ganz einfach sich liebende Partner*innen, die eine Familie bilden (wollen). Entgegen des konservativ-liberalen und biologistischen Eheverständnisses sollten alle Paare, ob hetero- oder homosexuell, ob kinderlos oder nicht, gleichbehandelt werden. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit. Die Fortdauer der Ungleichbehandlung ist inakzeptabel.«

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