Dienstag, 11. Juni 2013

Der Kampf um die Hochschulen

Halle, 30. April: über 7000 Menschen gehen gegen die radikalen Sparvorhaben der sachsen-anhaltischen Landesregierung im Hochschulbereich auf die Straße. Es ist die größte Demonstration seit der Wiedervereinigung. Erstmalig suchten durch die Bank weg alle Hochschulakteur*innen den gemeinsamen Schulterschluss, um ein landesweites Aktionsbündnis auf die Beine zu stellen. Sie nannten es „Perspektiven gestalten“.*

Die Vorgeschichte: bereits seit mehreren Monaten debattiert das Regierungskabinett aus CDU und SPD über vermeintlich notwendige Kürzungen im sachsen-anhaltischen Hochschulwesen. Mindestens 77 Millionen € seien in den nächsten Jahren einzusparen, heißt es. Dabei müsse vor allem darüber nachgedacht werden, eine der beiden medizinischen Fakultäten zu schließen: Halle. Sachsen-Anhalt könne sich auf Dauer keine zwei Unikliniken leisten, meint Finanzminister Bullerjahn (SPD).
Nachdem die (nunmehr ehemalige) Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) ankündigte, die Ausweitung der Sparprogramme nicht mitzutragen, wurde sie kurzerhand vom Ministerpräsidenten Haseloff über ihre Entlassung in Kenntnis gesetzt. Telefonisch.

Am selbigen Tag verkündete er das Ergebnis der Nachfolger*innensuche: Möllring, CDU, Ex-Finanzminister von Niedersachsen, soll es richten. Seitdem, so scherzt man, habe Sachsen-Anhalt zwei Finanzminister. Nicht ohne Grund befürchten nun die Hochschulen und Universitäten noch drastischere Kürzungsprogramme, als sie auch Wolff mitgetragen hätte, denn immerhin gilt Möllring als „harter Hund“ in Sachen Haushaltskonsolidierung.  

Perspektiven gestalten. Welche Perspektiven hat ein hochverschuldetes Bundesland ohne nennenswerte Industrie, ohne erwähnenswerte materielle Ressourcen? Für zigtausende Student*innen aus den alten Bundesländern, aber auch aus aller Welt, ist Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren zu einem attraktiven Studienort geworden. Die Mieten sind günstig, die Versorgung mit Kita-Plätzen ist in Ordnung, die Städte haben kulturell etwas zu bieten, es gibt keine Studiengebühren und die Ausbildung ist zum Teil hervorragend. Die 55.000 Student*innen generieren eine Perspektive! Sie stehen für Innovation und Kreativität - und sie bringen nicht zuletzt ein wichtiges Maß an Kaufkraft mit. Doch die Doktrin der Austerität vernebelt den Verstand: das Sparen, also die Ausgabenseite, wird zur heiligen Kuh erklärt, ohne auch nur im Ansatz an die Einnahmenseite zu denken. Schätzungen zu Folge ist die Kaufkraft der Studierenden mehr als vier Mal so groß wie das „Einsparpotential“ von 77 Millionen €.

2013 und wohl auch 2014 werden Jahre großer Kämpfe um das Primat guter Bildung und Ausbildung. Als Linke müssen wir hier immer wieder deutlich machen, worum es geht: um nichts geringeres als die Zukunft Sachsen-Anhalts. Und das werden wir.

*Zum Zeitpunkt des Drucks der Zeitung fand die mit 10.000 Menschen noch größere Demonstration in Magdeburg noch nicht statt.

Robert Fietzke, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederleben (Jugend) DIE LINKE. Sachsen-Anhalt. Erschienen in: hein.direkt 7, Zeitung der Bundestagsabgeordneten Dr. Rosemarie Hein für Magdeburg und Schönebeck.

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