Mittwoch, 5. Februar 2014

Nichts sehen, nichts hören, nicht handeln

Gestern berichtete die Volksstimme über einen Zwist, der es in sich hat: "Seit 2012 spielen Magdeburgerinnen mit Flüchtlingskindern Theater; freiwillig, unbezahlt, ehrenamtlich. Die Kinder sind ihnen ans Herz gewachsen. Deshalb schlagen die Frauen jetzt Alarm, weil sich kaum jemand neben ihnen um sie kümmere. Der Sozialbeigeordnete ist entrüstet - über die Frauen."

Was ist passiert? Vier Magdeburgerinnen besuchen jeden zweiten Donnerstag im Monat die Flüchtlingsunterkunft in der Grusonstraße. Dort bieten sie den Kindern eine kleine Theaterbühne, zum "Schreien, Flüstern, Toben, Schleichen, Kämpfen und Fallenlassen". Musik- und theaterpädagogisch begleitet sollen Zu- und Umgänge mit Emotionen aller Art gefunden werden. Den Kindern bereitet das gemeinsame Schauspiel großen Spaß, wäre da nicht das Problem, dass es nur alle zwei Wochen stattfindet. Betreuungsangebote dieser Art sind rar gesät.


Angela Mund, die Gründerin dieses Projektes, hat sich nun in einem Offenen Brief an den Stadtrat und die Stadtverwaltung gewandt: "In meiner größten Wut und Bestürzung wende ich mich mit einer Bitte an diejenigen, die über ausreichend politische Handhabe verfügen, die verheerenden Bedingungen zu verändern, unter denen AsylbewerberInnen in der Stadt Magdeburg leben müssen." Anlass dieses Briefes ist offenkundig das Auslaufen zweier vom Jobcenter finanzierter Stellen für zwei sehr engagierte Frauen, die neben Spielpädagogik auch Hausaufgabenhilfe und andere Angebote für die Flüchtlingskinder bereitgehalten hatten. Diese Stellen sollen nicht ersetzt werden, trotz eines immer größer werdenden Bedarfs. Die Initiative kritisiert das scharf. Es dürfe nicht sein, dass derartige Betreuungsangebote nur zu Stande kommen, wenn sich zufällig mal ein paar Ehrenamtliche finden. Stattdessen sei therapeutisch geschultes, professionelles Personal von Nöten, handelt es sich bei vielen der Kinder doch um schwer - von Bürgerkriegen und Flucht - traumatisierte junge Menschen. Stattdessen würde ihnen lediglich zugestanden, "zwischen Betonplatten Runden zu laufen".

Wie reagierte der für Flüchtlingsunterkünfte zuständige Sozialbeigeordnete Hans-Werner Brüning? "Ich habe die Frauen eingeladen und werde ihnen zunächst einmal die Regeln erklären." Auf Nachfrage, gegen welche Regel die Ehrenamtlichen verstoßen hätten, äußerte Brüning gegenüber der Volksstimme: "Vielleicht gegen keine auf dem Papier, aber gegen die der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Wenn wir jemanden in unsere Häuser lassen, erwarten wir, dass er sich daran hält."

Stellungnahme der Linksjugend ['solid] Magdeburg

 

Wir kritiseren das Verhalten des Sozialbeigeordneten Hans-Werner Brüning. Sein Umgang mit den ehrenamtlichen Frauen ist anmaßend und paternalistisch, sein Problembewusstsein in Sachen Flüchtlingspolitik ist unsensibel. Leider müssen wir wiederholt feststellen [2], dass Herr Brüning, der sich gerne hinter der Aussage versteckt, er würde ja nur das umsetzen, was ihm der Stadtrat aufträgt, hier aktive Sozialverhinderungspolitik betreibt. Als Verwaltungschef hat er die Möglichkeiten, vieles an den unwürdigen Zuständen in der Grusonstraße (und in den anderen Gemeinschaftsunterkünften) zu ändern. Ein Handeln ist jedoch nicht erkennbar. Stattdessen lässt er Betreuungsstellen auslaufen und weist auf ein noch zu erarbeitendes Konzept hin. Leere Phrasen, die die gegenwärtige Situation aber nicht verbessern. Denn ein schnelles Reagieren ist notwendig. Die Zustände in der Grusonstraße sind aber bereits seit Jahren katastrophal - was nun selbst der Oberbürgermeister erkannt hat [3]. Es hätte längst eines derartigen Konzeptes bedurft. Wir hätten uns gewünscht, dass auch ohne diesen Hilferuf der zuständige Beigeordnete die schrecklichen Zustände in den Unterkünften von sich aus verbessert.

Das Engagement rund um die Theaterinitiative von Angela Mund ist beispielgebend und verdient den allergrößten Respekt sowie größtmögliche Solidartät. Mit Menschen, die sich in ihrer Freizeit für ihre Mitmenschen engagieren, so umzugehen, wie es Hans-Werner Brüning tut, ist ein Nackenschlag für das gesamte Ehrenamt in der Stadt. Gleichsam ist es betrüblich, dass derartig wichtige Angebote momentan nur über ehrenamtliches Engagement abgesichert werden können. Angesichts einer immer größer werdenden Nachfrage muss die Stadtverwaltung hier sinnvoll handeln. Das heißt für uns, es müssen Lösungen geschaffen werden, sodass reguläre Planstellen für die Betreuung der Geflüchteten und insbesondere für die psychologische Betreuung der Flüchtlingskinder erhalten bleiben. Die Stadt hat eine Verpflichtung für die in Magdeburg aufgenommenen Menschen

Wir fordern menschenwürdige Lebensbedingungen für alle Geflüchteten. Dazu zählen Massenunterkünfte nicht. Anzustreben ist also die bedingungslose dezentrale Unterbringung aller Asylsuchenden. Gibt es Massenunterkünfte, so ist der hygienische und sanitäre Standard nicht am Mindestmaß auszurichten. Die Belegung der Zimmer ist so zu organisieren, dass den Bewohner*innen ausreichend Privatsphäre zur Verfügung steht. Die Betreuung der Bewohner*innen, insbesondere der Kinder, erfolgt durch professionelle Sozialarbeiter*innen und Therapeut*innen, für die dem Bedarf entsprechende Planstellen einzurichten sind. Als unabhängiger Jugendverband mit solidarischer Nähe zur Linkspartei werden wir uns dafür stark machen, dass linke Forderungen in Sachen Flüchtlingspolitik Einzug in das Kommunalwahlprogramm des Stadtverbandes DIE LINKE. Magdeburg finden. Wir unterstützen insbesondere Kandidaturen, die sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen für Geflüchtete stark machen. Say it loud, say it clear, refugees are welcome here!

Aufruf: die Initiative bittet um Spenden und sucht noch Tanz- und/oder Musiktherapeut*innen!
 

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